Mittwochabend, 5. Juni, 20.00 Uhr, Roter Salon der Volksbühne. Magda und ich sitzen mit unseren Laptops auf einem der gemütlichen Sofas. Gleich soll es mit der Veranstaltung „‘Sag was!‘ – Framing bei Gesprächen im Alltag“ losgehen. Mit dabei: Philipp Steffan, Anne Wizorek, Johannes Hillje und…SpeakUp!
SpeakUp? Läuft!
Mit unserem neuen Tool SpeakUp können Teilnehmer*innen einer Diskussionsveranstaltung online Fragen stellen, die dann von der Moderation in die Diskussion eingefügt werden. Unser wichtigstes Feature: Die Teilnehmer*innen können ihre Frage mit den eigenen Personenmerkmalen verknüpfen. Das erlaubt es, unterrepräsentierte Gruppen aktiv in den Diskurs einzuladen. Mit der Veranstaltung Sag was startet SpeakUp in seinen ersten großen Feldtest. Und wir?, Wir sind aufgeregt, irgendwas zwischen nervös und freudig gespannt.
Bei der Podiumsdiskussion ist SpeakUp intervallartig eingeplant, jeweils zu Themenblöcken gibt es nach einer ersten Diskussionszeit auf dem Podium die Ansage der Moderation, Fragen über SpeakUp zu posten. Die Co-Moderation filtert die Fragen aus dem Publikum und leitet sie an die Hauptmoderation weiter. Wir müssen schnell feststellen: Es läuft! Das Publikum macht mit, stellt Fragen, liked andere Fragen und identifiziert sich mit den Merkmalen. Im Anschluss der Veranstaltung bitten wir um Rückmeldung zu SpeakUp und merken: Obwohl (oder gerade, weil?) das Veranstaltungsformat keine offline Publikumsbeiträge zugelassen hat, haben sich alle Feedback-Geber*innen sehr eingebunden gefühlt. Rückmeldungen wie „Ich wurde angeregt, mir selber eine Frage zu überlegen“ oder „Auch wenn meine Frage nicht dran gekommen ist, konnte ich sie trotzdem äußern“ haben unsere Herzen höher schlagen lassen. Die Podiumsteilnehmenden fühlten sich im Vergleich zu Twitter-Walls bei SpeakUp sicherer vor Hate-Speech. Auch die Hauptmoderation war begeistert, denn sie konnte fokussierte und relevante Fragen aus dem Publikum stellen. Und die Co-Moderation? Ok. Die Co-Moderation war ziemlich erschöpft.
Das zeigt uns: Es ist nicht alles ein Einhorn, was glänzt. So sind uns vor, während und nach unserem ersten Testlauf einige Herausforderungen aufgefallen, die wir gerne mit euch teilen würden. Los geht´s!
Herausforderung #1: How to… moderieren mit SpeakUp
Eine Herausforderung für das Moderieren mit SpeakUp ist die Verbindung von offline- und online- Beiträgen: Denn sobald die Moderation mit SpeakUp beschäftigt ist, fehlt ihr die Aufmerksamkeit beim Publikum – und umgekehrt. Wie also damit umgehen?
Für den Einsatz im Roten Salon haben Diskursiv und Tadel verpflichtet eine Co-Moderation eingesetzt. Die Co-Moderation hat die Fragen vorsortiert und die relevanten Fragen an die Moderation weitergeleitet. Das spiegelt auch unsere eigene Erfahrung beim Launch wider. Also: Für SpeakUp braucht es eine Co-Moderation!
Herausforderung #2: Make Co-Moderation happy again
Wie schon erwähnt, die Co-Moderation war am Ende des Tages ziemlich erschöpft: Fragen sortieren und der Hauptmoderation schicken, Fragen aussuchen, die gelöscht werden sollen, Fragen, die behandelt werden auf den Beamer stellen, die Sorge, dass das Publikum unzufrieden wird, weil eine sehr hoch gevotete Frage nicht erwähnt wird…und bestimmt noch mehr. Das ist ziemlich viel. Für uns bedeutet das: An die Usability für die (Co-) Moderation müssen wir wohl nochmal ran!
Herausforderung #3: Hilfe nicht zur Selbsthilfe
„Kannst du nochmal…?“ Momentan können nur wir, Menschen von Liquid Democracy, den Text im SpeakUp-Event editieren. Die Informationen verändern sich? Eine Podiumsteilnehmer*in hat abgesagt? Spontane Änderungen: Nur mit uns. Nicht sehr agil und adaptiv…In diesem Falle sind wir u. A. deshalb vor Ort.
Herausforderung #4: Das kategorische Merkmal
Die Einstellung der Merkmale macht SpeakUp besonders. Damit sollen unterrepräsentierte Gruppen sichtbar werden, um sie bewusst in den Diskurs einzuladen. Gleichzeitig bedarf es dabei Reflektion der Moderation: Merkmale sollen möglichst eine Selbstbezeichnung sein, keine Fremdzuschreibung. In diesem Fall ging es um die Kategorie Geschlecht und wir schlugen die Merkmale „Divers*“, „Frau*“ und „Mann*“ vor. Die Sternchen deuten darauf hin, dass diese Bezeichnungen Selbstbezeichnungen und nicht abhängig von vermeintlich biologischen oder sozio-kulturellen Eigenschaften sind. Es ist wichtig, sich über die Merkmale bewusst Gedanken zu machen, damit sie inklusiv wirken können!
SpeakUp: What next?
Wie geht es jetzt weiter mit SpeakUp? Aus dem Testing haben wir insbesondere Fragen mitgenommen: Welche Moderations-Techniken sind mit SpeakUp kompatibel? Wann klappt es nicht so gut? Welche Benennung von Merkmalen ist unangebracht und diskriminierend? Welche helfen, Unterrepräsentierung sichtbarer zu machen?
Daneben haben wir uns auch eine eher technische Wunschliste angeschafft:
- Lösch mich: Ein Löschen-Button! Damit die Moderation zur Not unangemessene Beiträge löschen kann.
- Explizite Redeliste: Als (Co-)Moderation gibt mir eine eindeutige Redeliste Klarheit. Als User wird mir angezeigt, welche Frage auf der Liste ist. So ist transparent, welche Fragen berücksichtigt werden.
- Präsentations-Screen: Die (Co-)Moderation kann selber entscheiden, welche Frage auf den Präsentations-Screen kommt.
- Unabhängigkeit: Moderation und die Initiator*innen sollen ihre eigenen Veranstaltungen aufsetzen und verändern können.
Eine Herausforderung, die wir noch nicht erwähnt haben, ist natürlich die weitere Finanzierung von SpeakUp. Als gemeinnütziger Verein Liquid Democracy stellt sich diese Frage für uns insbesondere. Vielleicht hast du eine Idee? Oder aber du willst wissen, wie es weitergeht mit SpeakUp? Du hast Ideen zur Benennung von Merkmalen? Du willst SpeakUp mal einsetzen? Dann schreib doch direkt Marie-Kathrin (m.siemer@liqd.net) oder melde dich zu unserem Newsletter an! Wir freuen uns über alle Interessierten und Unterstützer*innen. Damit es möglichst vielen Menschen leichter gemacht wird, sich zu Wort zu melden. SpeakUp, hell yeah!