witelo e.V. zahlt freiwillig 20.000 Euro Förderung zurück

Und Ihr fragt Euch “Whuat?!” Let me explain:

Die Projektumsetzung des Vereins Un/Sichtbares Jena lief aus Sicht des betterplace labs für lange Zeit nach Plan. Konnte man an der regen Teilnahme der Workshops sehen, kann man auch in der Learning Journey lesen, in der fleißig über das Projekt, aber auch über die Meta-Themen Transparenz und Open Data gebloggt wurde. Auch, dass das Projekt eigentlich von einem Projektverantwortlichen beantragt und durchgeführt wurde, der nicht Mitglied in diesem Verein ist, der für das Gelingen bürgt, gab erstmal keinen Grund zur Sorge. So weit, so gut.

Im Sommer 2018 wunderten wir uns dann so langsam, dass bis dato noch kein Cent der Fördersumme durch den Verein bei uns angefordert worden war, also hakten wir nach. Wir wurden  etwas hellhörig, als sich herausstellte, dass die Kommunikation zwischen dem Projektverantwortlichen und dem Verein nicht so geschmeidig lief. Ein Gespräch mit beiden Seiten hatte aber für uns die Situation geklärt, die Tatsache, dass anschließend die volle Fördersumme durch den Verein angefordert wurde, bestätigte diese Wahrnehmung.

Ein paar Wochen später dann die plötzliche Nachricht: Der Verein hatte entschieden, das Geld zurückzuzahlen. Natürlich wollten wir nun ganz genau wissen, was hier los war, und der Verein war bereit, mit uns ins Gespräch zu gehen. Auch mit dem Projektverantwortlichen haben wir gesprochen, zu rütteln war an der Entscheidung des Vereins jedoch nicht mehr. Der Verein begründet in seinem offiziellen Rücktrittsschreiben wie folgt:

“Dass das Projekt nunmehr nicht umgesetzt werden kann, ist maßgeblich darin begründet, dass einerseits die Einhaltung der Förderbedingungen, Programmierleistungen im erforderlichen Umfang auszuschreiben, nicht geleistet werden konnte. Andererseits haben wir die konstruktive Zusammenarbeit der Projektpartner im Laufe der Zeit nicht sicherstellen können, trotz mehrfacher intensiver Gespräche zwischen den Beteiligten. Ohne wechselseitiges Vertrauen und verlässliche Abstimmungen aller Partner kann nicht gewährleistet werden, dass das Projekt ohne berechtigte Rückforderungen abzuwickeln gewesen wäre.”

Dass ohne ein bestehendes Vertrauensverhältnis eine Zusammenarbeit erschwert bis gar unmöglich ist, klingt auch für uns nachvollziehbar. Weil man Vertrauen nicht erzwingen kann, aber immerhin die Rahmenbedingungen dafür schaffen kann, wollen wir mal aufschreiben, was wir aus dieser Situation lernen:

 

Was nehmen wir aus dieser Situation mit?

Wir reflektieren gerne, das haben wir also auch hierzu gemacht. Gerne lassen wir Euch an unseren Gedanken teilhaben, was uns dieser Vorfall lehrt:

  • Innovation und Co-Kreation brauchen eine offene Fehlerkultur: Wir bewegen uns mit unserem Tun in neuen Akteurskonstellationen, die gemeinsam neue Sachen ausprobieren wollen. Jeder hat ein unterschiedliches Skill-Set, jeder hat unterschiedlichen Blick auf ein Thema oder Projekt. Beim innovativen Explorieren an der Schnittstelle verschiedener Handlungslogiken ist Scheitern immer Teil des Risikos. Und das ist gewissermaßen auch ok so. Nur, wenn wir neue Dinge ausprobieren – dazu zählt auch, eine etwas komplizierte Konstellation der Projektumsetzung einzugehen –  können wir verstehen, was funktioniert, was nicht, und warum. Dieses Risiko des Scheiterns sind wir grundsätzlich weiterhin gewillt, einzugehen. Weil wir daran glauben, dass Kollaboration unterschiedlicher Stakeholder gelingen kann und muss. Damit zum nächsten Punkt…
  • Ohne Vertrauen keine Kollaboration: Wenn zwischenmenschlich kein Vertrauen da ist, kann organisationsübergreifende Kollaboration nicht gelingen. Es braucht also Rahmenbedingungen, die Vertrauen begünstigen. Ein “Check-In” zum Start einer Kooperation kann helfen, transparent und ehrlich Erwartungshaltungen abzugleichen. Ein gemeinsames Eruieren, was die Kooperationspartner voneinander brauchen. Denn selbst ein wasserdichter Vertrag reicht nicht für eine erfolgreiche Kooperation, das können nur die Menschen dahinter leisten. Offenheit, ehrliche Kommunikation und letztlich Multiperspektivität sind die Voraussetzung dafür, dass verschiedene Akteure gemeinsam wirken können.

 

Was machen wir nun mit den 20.000 Euro?

Weil wir schnelle Reaktionen und flexible Lösungen immer predigen, haben wir hierfür eine solche angestoßen und dank der Kooperation mit den Förderern auch umsetzen können:

Es wird ein neues Projekt ausgezeichnet, dass die 20.000 Euro Förderung erhält. Weil keine Zeit für große Ausschreibung (das Geld muss nach Haushaltslogik des Bundesministeriums bis zum Jahresende an die Frau gebracht worden sein) und Machbarkeit nunmal über die Durchführung einer Lösung entscheidet, haben wir kurzerhand entschlossen, bei den Gewinnern aus Runde 1 für ein Anschlussprojekt zu werben. Erhalten haben wir eine gute Skizze von dem Gewinnerprojekt „FragDenStaat für NGOs“, und hier berichten sie selbst, was sie mit dem unverhofften Geld nun Gutes anstellen:

“Da geht’s Abi” der Open Knowledge Foundation:

Um sich optimal fürs Abitur vorzubereiten, greifen viele Schüler*innen auf kostenpflichtige Materialien von Bildungsverlagen zurück. Die beinhalten in der Regel Original-Zentralaufgaben der vergangenen Jahre. Profitieren davon können allerdings nur diejenigen, die ausreichend Geld dafür haben. Mit „Da geht’s Abi“ entwickeln wir ein Werkzeug, durch das Jugendliche einfach auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes. Prüfungsausgaben vergangener Jahrgänge direkt bei Kultusministerien anfragen können. Das ist für sie kostenlos – und motiviert Behörden, ihre Bildungsmaterialien künftig selbst zu veröffentlichen.

Der Projektleiter Arne Semsrott, Open Knowledge Foundation, über das Projekt: “Es steckt ein enormes Potential in offenen Bildungsmaterialien. Das erkennen aber bisher nur wenige öffentliche Stellen. Mit „Da geht’s Abi“ ändern wir das. Wir ermächtigen Schüler*innen, sich auf gesetzlicher Basis selbst die Materialien zu besorgen, die sie in der Vorbereitung aufs Abitur benötigen.”

 

Na dann, auf geht’s in den Jahresendspurt!