Im Blickpunkt: Hanno Burmester

Zur Zukunft der Demokratie im digitalen Zeitalter: Interview mit Hanno Burmester

Hanno Burmester ist Gründer des Democracy Lab im Progressiven Zentrum und denkt, schreibt und vernetzt zur Zukunft der Demokratie. Hanno arbeitet an der Schnittstelle von individueller, organisationaler und gesellschaftlicher Transformation. Er ist Inhaber des Beratungsunternehmens Unlearn. Er beschäftigt sich mit der Frage, wie eine Demokratie aussehen kann, die nicht auf ökologischer und sozialer Ausbeutung basiert. In Organisationen etabliert er Modelle der Zusammenarbeit, die sich um das Kultivieren demokratischer Kerntugenden drehen, insbesondere Selbstorganisation und Dialogfähigkeit. 

 

Dein Blick auf die Gegenwart: Welche Probleme in unserer Gesellschaft siehst Du und was hat das mit Demokratie zu tun?

Unsere Gesellschaften sind zerrieben von den systemischen Problemen, die sie selbst produzieren. Vor allem die Klimakrise und die globale und nationale Ungleichheit. Wir wissen nicht, ob die liberale Demokratie bestehen kann, ohne auszubeuten. Seit ihrer Gründung ging sie stets Hand in Hand mit der rücksichtslosen Extraktion von menschlichen und natürlichen Ressourcen. Unsere Aufgabe ist jetzt, genau diesen Versuch zu wagen: die Entwicklung hin zu einer bewussteren, freieren Gesellschaft.

 

Blick auf die Zukunft: Was braucht Demokratie in einer digitalen Welt? 

Das sinnliche Erleben von Verbundenheit. Wir werden nur dann einen guten Umgang mit den Metakrisen unserer Zeit finden, wenn wir uns anders in Beziehung setzen. Zur Welt, deren Teil wir sind – zu anderen Menschen – und zu uns selbst. Dabei kann das Netz helfen, muss es aber nicht.

 

Wie kann Innovation die Demokratie bereichern? Wie können neue Ansätze gesamtgesellschaftlich wirksam sein?

Auf technologischer Seite: In den letzten Jahrzehnten sind die positiven ökologischen und sozialen Effekte von Innovation meist durch den Mehrverbrauch von Ressourcen neutralisiert worden. Echte Innovation würde dafür sorgen, dass wir strukturell weniger verbrauchen. Ich denke, das wird nur mit radikal veränderten politischen Rahmenbedingungen funktionieren.

Auf Seiten sozialer Innovation: Wir werden die Transformation nicht ohne sie schaffen. Wenn der Leidensdruck wächst, werden gute Beispiele eines besseren Zusammenlebens und -wirkens viel mehr Beachtung finden als in der aktuellen Phase kollektiver Selbstblendung.

 

Reicht es, wenn wir im System an bestimmten Stellschrauben drehen? Oder müssen wir gleich das ganze System neu denken?

Neu denken sollten wir es unbedingt. Und, viel wichtiger, wir müssen die Hebelpunkte finden für radikale Reformen, die es Schritt für Schritt verändern. Unsere Aufgabe ist nicht das Erdenken einer Utopie. Sondern die Transformation der fossilen Gesellschaft mit demokratischen Mitteln.

 

Wenn Du eine Sache direkt angehen könntest und das politische Mandat dafür inne hättest – was wäre Deiner Ansicht nach ein konkreter Hebelpunkt für eine radikale Reform?

Da fällt mir viel ein. Aber es geht nicht darum, dass jeder seine Lieblingsreform umsetzt. Sondern dass wir einen Fokuspunkt finden, der solche Maßnahmen strategisch ausrichtet. Das geht, wenn wir bereit sind, demokratische Strategiearbeit zu leisten. Wenn wir es schaffen, auf Grundlage gesellschaftlicher Werte positive Zukunftsbilder zu entwerfen – dann können wir davon radikale Reformen ableiten, die uns in die richtige Richtung bringen.

 

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