Auf dem Weg zum Praxistest und ein Blick in die Zukunft

Mit der Veranstaltung „Demokratie digital, Teilhabe real“ am 21.11.2019 im bUm Berlin endete für uns die Learning Journey als Gewinnerprojekt der dritten Förderrunde von demokratie.io. Bevor es nun auf die Suche nach Partnern und Förderern für eine Weiterführung des Projekts geht, wollen wir diese Gelegenheit für eine kurze Reflexion der letzten zwölf Monate nutzen.

Von Anfang an konzentrierte sich unsere Arbeit im Projekt DECIDE auf drei Teilbereiche: die Suche nach einem geeigneten Partner für einen Feldtest, die juristische und sozialwissenschaftliche Analyse bestehender Rahmenbedingungen für den Einsatz sowie die technische Entwicklung unseres Prototypen. Am schwierigsten gestaltete sich dabei die Suche nach einem Partner für den finalen Feldtest.

Es zeigte sich bereits bei den ersten Gesprächen mit EntscheidungsträgerInnen, dass unser ursprüngliches Ziel, den Prototypen auf kommunaler Ebene einzusetzen, schwierig zu realisieren sein würde. Grund dafür waren vor allem die kurze Laufzeit der bestehenden Projektförderung und die recht frühe Phase der Entwicklung des Prototypen, welche nicht mit den langfristigen Planungszeiträumen der Verwaltung zusammen passten.

Daher weiteten wir unsere Suche auf andere Organisationen aus und konnten mit European Alternatives einen verlässlichen Partner für den finalen Feldtest gewinnen. Dort wurde unser Tool für die Entscheidungsfindung in Vorbereitung auf die jährliche Mitgliederversammlung verwendet. Auch wenn die Beteiligung am Feldtest dabei hinter unseren Erwartungen zurück blieb, ließen sich dadurch wertvolle Informationen für die Weiterentwicklung und den zukünftigen Einsatz unseres Prototypen gewinnen.

Die technische Entwicklung des Prototypen verlief bis auf einige kleinere Verzögerungen genau so, wie wir es geplant hatten. Mit Hilfe unserer Partner, der Procivis AG und den Mitgliedern der Random Sample Voting Working Group, war es uns möglich, innerhalb von fünf Monaten das bestehende Random-Sample-Voting-Framework in die App eID+ von Procivis zu integrieren und über den App Store für Android-Geräte und Testflight für Apple-Geräte bereitzustellen. Bereits beim Feldtest im Januar an der Berliner Humboldt Universität hatte sich abgezeichnet, dass die ursprüngliche Kombination aus App, E-Mail und Webseite zu viele Medienbrüche enthielt und eine integrierte Lösung die Usability stark verbessern würde.

Daher entschieden wir uns, die App eID+ von Procivis entsprechend anpassen zu lassen und eine neue Schnittstelle zum Random-Sample-Voting-Framework zu entwickeln. Eine weitere Verbesserung brachte die Implementierung von Push-Notifications, mit denen registrierte TeilnehmerInnen über neue Abstimmungen innerhalb der App informiert werden können. Der finale Feldtest hat gezeigt, dass diese Änderungen durchweg positiv bewertet wurden. Weiteres Verbesserungspotential besteht jedoch noch beim Auditingverfahren der Abstimmungen und der Installation, insbesondere bei NutzerInnen von Apple-Geräten, da die Installation über Testflight einen für Laien unverständlichen Zwischenschritt erfordert.

Im Rahmen der Begleitforschung zum Projekt zeigte sich, dass das Konzept der Zufallswahl in den letzten Jahren immer stärker ins Zentrum des Interesses von Wissenschaft und Zivilgesellschaft gerückt war. Neben den inzwischen recht bekannten per Losverfahren besetzten Bürgerversammlungen in Irland gibt es mit Initiativen wie Missions Publiques in Frankreich und Bürgerrat Demokratie in Deutschland auch Initiativen in anderen Ländern, die Bürgerbeteiligung mittels Losverfahren als Ziel haben. Allerdings werden diese Ansätze bisher noch nicht digital umgesetzt.

Wir hatten im Laufe des Projekts regen wissenschaftlichen Austausch mit anderen ForscherInnen zu den Themen Zufallswahl und digitale Identität, die sich auch in unserer wissenschaftlichen Arbeit niederschlugen. So veröffentlichte Professor Pernice Ende September einen Artikel zu “Digitale Abstimmung, Zufallsauswahl und das Verfassungsrecht: Zur Überbrückung der Kluft zwischen Regierung und Regierten”  mit einer umfassenden Übersicht über die aktuelle verfassungsrechtliche Debatte.

Darüber hinaus entstanden mehrere Artikel zur Theorie und Geschichte von Zufallswahlen, die auf dem Blog des Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft [1][2], sowie von demokratie.io [1][2] veröffentlich wurden. Und nicht zuletzt nutzten wir die diesjährige Lange Nacht der Wissenschaften im Juni, um das Projekt in einem Vortrag am Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft einer interessierten Öffentlichkeit zu präsentieren.

Mit dem Ende der Förderung durch demokratie.io beginnt nun die Suche nach neuen Fördermöglichkeiten und Partnern, um das Projekt fortzuführen. Dafür haben die bisherigen Partner bereits ihr Interesse bekundet und es gibt bereits erste Ideen für neue Finanzierungsmöglichkeiten und Einsatzzwecke.